Wie wichtig die richtige Produktion und vor allem die richtige Vermarktung ist, zeigt ein Beispiel aus diesem Jahr in Deutschland. Es geht – natürlich – um Kollegah und Farid Bang, die mit ihrem 2018 erschienen Mixtape „Jung Brutal Gutaussehend“ den ECHO Musikpreis in der Kategorie Bester HipHop National gewannen – und zeitgleich eine Diskussion über Antisemitismus und Rassismus im deutschen Hiphop losgetreten haben.
Provokation als PR-Maßnahme: ein Lehrstück der Öffentlichkeitsarbeit
In einem Bonustrack, der ein Battlerap zwischen Kollegah und Farid Bang ist, kommt die Textzeile „Mein Körper, definierter als Auschwitz-Insassen“ vor – eine Zeile, die schon im Vorfeld des ECHO für viel aufsehen sorgte und eine groß angelegte Diskussion weit über die Dunstkreise der deutschen HipHop-Szene hinaus heraufbeschwor. Von BILD bis ZEIT, von ARD bis Pro7 wurde die Textzeile in diversen Publikationen mal mehr, mal weniger reißerisch besprochen und interpretiert. Immer wieder kamen Experten, Holocaust-Überlebende, Gegner und Fans der beiden Rapper zu Wort, was dem Album eine unglaubliche Media Exposure ermöglichte. Und letztendlich wohl auch mit für die extrem guten Verkaufszahlen verantwortlich ist, die die beiden mit diesem Album erreicht haben – was ihnen am Ende des Tages den ECHO des besten nationalen HipHop-Acts einbrachte.
Mehr Negativ-Schlagzeilen – mehr verkaufte Einheiten
Nach dem ECHO für Kollegah und Farid Bang wurde die Diskussion neu befeuert. Preisträger aus diesem und vergangenen Jahren gaben aus Protest ihren ECHO zurück, die Medien berichten umgehend und ausführlich. Wieder sind die beiden, die auch bei der ECHO-Verleihung selbst gekonnt provozierten, in den Schlagzeilen der Boulevard-Presse, in den Feuilletons und den Fernsehnachrichten. Und wieder bekommt „Jung Brutal Gutaussehend“ kostenlose PR weit über die übliche Fanbase der beiden Rapper aus Düsseldorf hinaus. Wobei es natürlich fraglich ist, in wieweit Kollegah und Farid Bang die Reaktionen auf ihre Provokation voraussehen konnten. Da vor allem Kollegah jedoch ein Meister der Selbstvermarktung und ein extrem erfolgreicher Produzent ist, liegt es nahe, dass die Textzeile ganz bewusst gewählt war – und auch aus gutem Grund nur auf der teuren Special Edition des Albums zu finden ist.
Erfolg durch Provokation
Ein Blick auf Kollegahs Karriere zeigt, dass der bürgerlich Felix Martin Andreas Matthias Blume heißende Jura-Student aus Friedberg sehr erfolgreich mit bewusster Provokation in den Charts landet. Nach der Veröffentlichung seines Albums „Bossaura“ in 2011, das immerhin auf Platz 5 der Charts kletterte, sah er sich mit Vorwürfen des Sexismus, der Homophobie und erstmals des Antisemitismus konfrontiert. Sein 3 Jahre später erschienenes Album „King“ kletterte direkt auf Platz 1 der Charts und wurde mit dreifach Gold ausgezeichnet. Und auch mit seinem Faible für Verschwörungstheorien sorgt Kollegah immer wieder dafür, dass er und seine diversen Unternehmungen immer wieder in den Nachrichten der Nation landen – egal ob es dabei um seine Musik geht, oder um seinen Fitness-Ratgeber.